Meine Anmerkungen zum MDR Sommerinterview mit Björn Höcke

Text von Josefina Bajer (Leitung Stärkenberatung der NaturFreunde Brandenburg)

Fairplay zu Unfair-Play funktioniert nicht

Es ist unverantwortlich, unter den Begebenheiten der Zeit einem als gesichert rechtsextrem eingestuften NAZI einem Demokraten gleich zu behandeln. Erst recht nicht, wenn der Verfassungsschutz und andere Kontrollkräfte unserer Demokratie auf die von diesem Menschen verbreitete faschistoide und demokratiezersetzende Ideologie verweisen, welche ferner klar ersichtlich in seinem Buch zutage treten. Erst recht nicht in einem Setting wie einem eins-zu-eins Interview, welches live ausgestrahlt wird und in welchem eine analytische Begleitung des Gesagten nicht abgesichert werden kann. Ungefiltert durfte somit ein NAZI seine rechtextremistische Propaganda verbreiten. Die in aller Öffentlichkeit geäußerten Unsäglichkeiten sind Futter für die rechten Trolle in den Sozialen Medien, machen die faschistoiden Narrative hoffähig und geben den Agitator*innen eine Legitimität. Dieses Handeln ist unverantwortlich und widerspricht den Grundsätzen einer demokratischen Debattenkultur. Wer diesem Argument nicht folgen kann, sollte Adorno lesen, oder Karl Popper oder Hannah Arendt.

Gerne kann ich es noch deutlicher formulieren:

Zu einer Zeit (2023) an einem Ort (Thüringen), an welchem die AfD Fraktion unter der Leitung Höckes über den Verfassungsschutz beobachtet wird und über ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2019 als Faschist bezeichnet werden darf, dessen Partei zudem über das Deutsche Institut für Menschenrechte (7.06.2023) als gesichert rechtsextremistisch und Demokratie gefährdend bezeichnet wird und sogar ein Verbotsverfahren empfohlen wird, da sie sich als Antidemokraten und über Volkshetze gerieren, um Machtausbau zu betreiben, diesen Rädelsführer einzuladen, ist unverantwortlich. Über die ideologische Einflussnahme des vorpolitischen Raums betreiben diese Faschisten Indoktrinierung. Seit über einem Jahrzehnt wird ihnen dies über solche Interviews ermöglicht. Sie betreiben "Frustrations-Penetration", wie ich es nannte und jedes live ausgestrahlte Interview sorgt für die Verbreitung und bietet Raum, um ihre rechtsextremistischen Narrative in aller Öffentlichkeit zu streuen. Siehe hierzu auch Stichwort: Frustration in Umberto Eco, "Der ewige Faschismus", 2020. Teile der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten unterliegen anscheinend dem Irrglauben, allen "gewählten Vertreter*innen" das Wort und den Raum geben zu müssen. Ich weise dringlichst darauf hin, dass dies den Fakt unterschlägt, dass diese rechten Agitatoren mit, wie es in der Wirtschaft genannt wird, "unlauteren Mitteln" Machtausbau betrieben haben und somit lediglich über den Machtmissbrauch demokratischer Mittel an die Macht gekommen sind. Matthias Quent, sein Kollege Axel Salheiser und andere Zeitgenossen verweisen in mehreren Publikationen auf diese Missstände.

 

Warum hört keiner die Empfehlungen aus der Wissenschaft?

Die AfD, insbesondere der Flügel um Björn Höcke, führen in ihren Reihen verurteilte Straftäter (!) mit sich und erlauben ihnen, bis in die Zentrale unserer Demokratie vorzudringen, den politischen Diskurs zu beeinflussen, Volkshetze zu betreiben und Menschenleben in Gefahr zu bringen. Diese Agitatoren, Höcke ist hier führende Person, sind nicht daran interessiert, den politischen Diskurs auf demokratischen Wegen zu gestalten, sie missbrauchen unser demokratisches System und sind nur daran interessiert, ihre rechtsextremistische Hetze zu betreiben, Unsagbares sagbar zu machen und die Debattenkultur in diesem Land ad absurdum zu führen. Finanziert von libertären Neoliberalen, vorgeblich konservativen Kräften, mit Grüßen von Natascha Strobl und ihrem Begriff des "radikalisierten Konservatismus".

Wehret den Anfängen war vor ein paar Jahren, jetzt wird es Zeit zu handeln. Weshalb ich mich, wie schon viele vor mir persönlich, als auch als Projektleitung aus dem Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe", Mitglied im Aktionsbündnis Brandenburg und Kooperationspartner*in vom Toleranten Brandenburg dazu verpflichtet fühle, laut und mit Vehemenz bestückt abermals darauf zu verweisen:

Mit NAZIs spricht man nicht, man redet über sie, um aufzuklären. Aber man bietet ihnen keinen Raum, um ihre menschenverachtende und unsere Demokratie schädigende Propaganda zu verbreiten!

 

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Zu beachtende Hinweise und Quellen, auf die sich meine Einschätzung und Wortwahl stützt:

1. Kein Anspruch auf Sendezeit : Warum die Rundfunkfreiheit kein Einlassticket für rechte Parteien ist (Stellungnahme vom Verfassungsschutzblog mit Herleitung über Beschlüsse und Verfahren des Bundesverfassungsgerichtes vom 9.06.2021)

Zitat:

„Die inhaltlichen Grenzen dieser Programmautonomie sind in den bereits zitierten Programmgrundsätzen festgelegt. Die darin beschriebene Verfassungsorientierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt auch hier die Grenze der Ausgewogenheit dort, wo Parteien das Wort überlassen wird, die die demokratischen Freiheiten attackieren oder rassistische Vorurteile verbreiten.
So klar der Rundfunkstaatsvertrag und die Rundfunkgesetze die Grenzen formulieren, so verunsichert scheinen viele Programmverantwortliche mit der AfD im Programm umzugehen. Dabei geht es hier nicht darum, die Partei totzuschweigen oder sich nicht mit ihr auseinanderzusetzen. Einem kritischen Umgang mit der AfD steht nichts im Wege – im Gegenteil: Er ist angesichts der offenkundigen Gefahr, die diese Partei für das demokratische Gemeinwesen darstellt, sogar dringend geboten.
Den Versuchen von Vertreter*innen der Partei, deren völkisch-nationalistische und zutiefst rassistische Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen, darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch nicht zur Verfügung stellen. Dafür hat er gute verfassungsrechtliche Argumente – und hoffentlich auch das nötige journalistische Selbstbewusstsein, um den Feinden von Freiheit und Demokratie entschlossen entgegen zu treten.“

Anbei auch Kritik aus den Medien, vor und nach dem Interview mit Höcke, AfD:

2. Willkommen beim Sender Höcke (Der erste Artikel vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), erschien noch vor Tagesbeginn um 5:30 Uhr und war der Auslöser der Empörung, welche mich um 10:30 Uhr erreichte.)

3. Björn Höcke bekräftigt Regierungswunsch in Thüringen (Aus Die Zeit)

Zitate:

"In dem Interview griff Höcke immer wieder auf rechtsextremes und NS-Vokabular zurück. Unter anderem warf er dem Bund vor, die Bildungspolitik mithilfe der Kultusministerkonferenz "gleichzuschalten" und damit die Kompetenz der Bundesländer in der Bildungspolitik zu untergraben. Seine Partei wolle die Bildungspolitik von "Ideologieprojekten wie Inklusion und Gender-Mainstreaming" befreien. Die Probleme in der Bildungspolitik führte er auf die Familien- und Einwanderungspolitik der vergangenen Jahre zurück. Diese "Belastungsfaktoren" müssten vom Bildungssystem genommen werden."

"Dass die anderen Parteien in Thüringen nun mit bildungspolitischen Themen in den Wahlkampf gingen, bezeichnete Höcke als "Populismus". Digitalisierung werde in diesem Zusammenhang von den Parteien als ein Modewort verwendet, "um ihr Versagen in der Bildungspolitik zu kaschieren". Die AfD sei zwar für eine "maßvolle Digitalisierung", vor allem in der Grundschule müssten Kinder aber zuerst "den Umgang mit dem Füller lernen, sie müssen das Schreiben lernen, Schönschreiben lernen, sie müssen das Rechnen lernen und so weiter".

„Der AfD-Landesverband in Thüringen wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Höcke darf einem Gerichtsurteil zufolge als Faschist bezeichnet werden."

4. Scharfe Kritik am MDR nach Sommerinterview mit Björn Höcke (Aus dem Kölner Stadtanzeiger. Hier finden sich weitere Verweise zu Kritiker*innen und Stellungnahmen.)

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Zu guter Letzt nur noch eine Erinnerung: 1932 / 33 unterzeichneten viele Wissenschaftler*innen und Zeitgenossen den Aufruf zur Aktionseinheit von KPD und SPD gegen die Nationalsozialisten, gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein. Trotzdem wurde am 30.1.1933 Hitler Reichskanzler. Auch damals dachten viele so Sätze wie: „Eine Demokratie muss so etwas aushalten“, oder: „Es ist halt der Wille des Volkes“.

Lasst Euch nicht beirren. Fairplay zu Unfair-Play funktioniert schlicht nicht.